In dieser Rubrik präsentieren wir monatlich eine neue Entscheidung zum Thema Steuerberaterhaftung - bleiben Sie mithilfe unseres Informationsangebotes zum Thema Steuerberaterhaftung "am Ball".
Entscheidung des Monats März 2025:
Entfällt wegen einer längeren Dienstreise nach Wien einschließlich Gerichtstermin, zahllosen Terminen und enormen Aktenanfalles - die Anliegen meiner Mandanten haben naturgemäß Vorrang. Das gilt natürlich auch für Ihr Anliegen, sollten Sie sich entschließen, Mandant meiner Kanzlei zu werden.
Entscheidung des Monats Februar 2025:
Ein Steuerberater im reinen Lohnmandat haftet dafür, dem Mandanten gegenüber auf eine verbindliche Klärung der Sozialversicherungspflicht hinzuwirken, bevor er Arbeitsentgelte sozialversicherungsfrei abrechnet – BGH 8.2.2024, IX ZR 137/22
Nicht selten kommt es vor, dass ein Steuerberater kein umfassendes Mandat hat, sondern er lediglich isoliert in einem bestimmten Bereich tätig werden soll.
Hier ging es um eine ausschließlich mit der Lohnverrechnung beauftragte Beratungsgesellschaft von RA und StB (welche allerdings zuvor auch die Anstellungsverträge der Geschäftsführer der Klientin entworfen und von dem Inhalt des Gesellschaftsvertrags der Klientin Kenntnis hatte).
Die Beratungsgesellschaft behandelte im Rahmen ihrer Lohnverrechnungstätigkeit die Geschäftsführer einer GmbH als selbständig und daher nicht SV-beitragspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung für Unselbständige. Im Zuge einer Betriebsprüfung Jahre später wurden sodann Nachforderungen in Höhe von EUR 258.325,55 erhoben. Die Mandantin forderte diesen Betrag von der Beratungsgesellschaft als Schadenersatz.
Begründung: Die Beklagte habe zwar keine Beratung in sozialversicherungsrechtlichen Fragen geschuldet. Der mit der Lohnabrechnung beauftragte Steuerberater habe jedoch zu prüfen, ob jeweils eine Befreiung von der Versicherungspflicht in Betracht komme, wenn Beiträge nicht abgeführt würden. Bestünden Unklarheiten in tatsächlicher Hinsicht oder sozialversicherungsrechtliche Schwierigkeiten, so sei der Berater gehalten, die Unklarheiten durch eigene Rückfragen auszuräumen oder auf die Einschaltung eines geeigneten Beraters hinzuwirken. Dieser Pflicht sei die Beklagte nicht nachgekommen, obwohl der Fall Anlass zu Zweifeln gegeben habe. Hinzu komme, dass die Beklagte in ihrem Internet-Auftritt damit geworben habe, alles im Blick zu haben und an sämtliche Details zu denken; ihre Mandanten seien auch bei einer Betriebsprüfung auf der sicheren Seite. Wäre die Beklagte ihrer Pflicht nachgekommen, so hätte die Mandantin ihren Gesellschaftsvertrag frühzeitiger geändert und damit die Sozialversicherungspflicht früher beseitigt.
Die Beklagte wandte Mitverschulden ein, da sich die Mandantin von einem Versicherungsmakler und der Handwerkskammer Beratung eingeholt und diesbezüglich unterschiedliche Auskünfte zur SV-Pflicht der Geschäftsführerbezüge erhalten habe. Sie habe daher von der rechtlichen Unsicherheit im Bezug auf die SV-Pflicht gewusst und es unterlassen, eine verbindliche Klärung der SV-Pflicht dem Grund nach herbeizuführen.
Der BGH führte aus: Lohnbuchhaltung ist keine Rechtsberatung, ihr Schwerpunkt liegt in der schematischen Vorbereitung und Abwicklung von Buchungsvorgängen und außerrechtlichen Aufgaben. Die Klärung der Frage der SV-Pflicht dem Grunde nach sprengt den Rahmen eines solchen Mandates, über die dafür erforderliche sozialrechtliche Sachkunde braucht ein durchschnittlicher Lohnbuchhalter nicht zu verfügen. Dies gilt auch dann, wenn ein Steuerberater, ein Rechtsanwalt oder eine aus Steuerberatern und Rechtsanwälten bestehende Berufsausübungsgesellschaft ein reines Lohnbuchhaltungsmandat übernimmt, denn die (Haupt-)Pflichten eines Mandats bestimmen sich nach dem konkret übernommenen Auftrag.
Andererseits muss der Lohnbuchhalter auf eine verbindliche Klärung der Statusfrage durch den Auftraggeber hinwirken. Nimmt der Lohnbuchhalter die SV-rechtliche Einordnung selbst vor haftet er bei schuldhafter Fehleinschätzung. Wurde die Frage durch einen RA gesprüft, ist eine Betriebsprüfung erfolgt und die bisherige Behandlung unbeanstandet geblieben, oder liegen Bescheide der zuständigen Behörde vor, so ist sie als verbindlich geklärt anzusehen. Die statusrechtliche Einordnung eines Mitarbeiters allein aufgrund der Einschätzung einer Kammer, eines Berufsverbands oder eines Versicherungsmaklers bedeutet hingegen keine verbindliche Klärung der Frage. Daher lag keine hinreichende Klärung der SV-Pflicht dem Grunde nach vor und die Beratungsgesellschaft haftet für die Folgen von ihr rechtswidrig und schuldhaft vorgenommene Einordnung der Geschäftsführerentgelte als beitragsfrei.
Ein Mitverschulden der Klägerin ist nicht von vornherein ausgeschlossen: Wurde die Beklagte tatsächlich von Versicherungsmakler und Handelskammer unterschiedlich beraten, hätte die Klägerin aufgrund dieser zusätzlichen Informationen von dritter Seite selbst erkennen können und müssen, dass eine fachkundige Überprüfung angezeigt ist, um sich selbst vor Schaden zu bewahren. Ein Mitverschulden schiede allerdings aus, wenn die Beklagte vertraglich die Beratung der Klägerin zur Sozialversicherungspflicht der Geschäftsführer übernommen hätte.
Was kann man daraus für Österreich mitnehmen?
Zur Haftung des Steuerberaters für nicht erkannte Sozialversicherungspflicht gibt es aus den letzten Jahren im Wesentlichen eine höchstgerichtliche Entscheidung (OGH 04.09.2013, 7 Ob 121/13i). Diese ist sehr kurz und knapp gehalten, geht aber jedenfalls (mit dem damaligen Berufungsgericht) davon aus, dass den Steuerberater zumindest die Pflicht trifft, den Mandanten auf die Notwendigkeit einer Prüfung der SV-Pflicht dem Grunde nach hinzuweisen, wenn keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden.
Die vorliegende Entscheidung des BGH, die sehr umfassend begründet ist, leuchtet meiner Ansicht nach die Pflichten des Steuerberaters im Lohnmandat (und deren Grenzen) auch für Österreich sehr anschaulich und nachvollziehbar aus. Es ist m. E. davon auszugehen, dass der OGH diese Entscheidung in einem späteren Anlassfall mehr oder weniger folgen wird.
TIPP vom Berater für Berater: Deshalb bei Unklarheiten bzgl. der SV-Pflicht dem Grunde nach im reinen LV-Mandat dem Mandanten gegenüber (schriftlich) auf einer verbindlichen Klärung der SV-Pflicht dem Grunde nach bestehen und auf die potenziellen finanziellen Folgen einer Unterlassung (betraglich) hinweisen!
Entscheidung des Monats Jänner 2025:
Notar haftet dem Käufer einer Liegenschaft für unterbliebenen Hinweis auf die Haftung für nicht abgerechnete Aufschließungsbeiträge - OGH 10.09.2024, 4 Ob 131/24d:
Vorneweg: Mein Informationsangebot heißt zwar (der Einfachheit halber) steuerberaterhaftung.at – hier wird allerdings nicht nur die Haftung von Steuerberatern erörtert, sondern auch die Haftung von Rechtsanwälten und Notaren für steuerliche Fehlleistungen.
Und genau um einen Fall aus der Kategorie Notarhaftung geht es hier (OGH 10.09.2024, 4 Ob 131/24d):
Im Rahmen der Errichtung eines Liegenschaftskaufvertrages verabsäumte der beklagte Notar es, die Käuferseite über das Risiko aufzuklären, für noch nicht abgerechnete Aufschließungsbeiträge in Anspruch genommen zu werden und diese Beiträge anschließend von der Verkäuferseite regressieren zu müssen.
Das Berufungsgericht bejahte die Haftung des Notars. Der OGH wies die hiegegen erhobene Revision zurück.
OLG und OGH begründeten dies wie folgt:
Zum Standard notarieller Tätigkeit gehöre es auch, dass der Vertragserrichter mit den Vertragsparteien die Problematik nicht abgerechneter Erschließungsbeiträge, einschließlich der damit verbundenen Haftung des Käufers als neuer bücherlicher Liegenschaftseigentümer erörtert und den Parteien auf Wunsch Möglichkeiten der Risikoabsicherung vorschlägt.
Da der hier tätig gewordene Notariatskandidat diesbezüglich keine geeignete Fragen stellte, um den tatsächlichen Wissenstand der Vertragsparteien zu erforschen und daran das Maß der erforderlichen Rechtsbelehrung zu bestimmen, handelte er nach Auffassung von OLG und OGH pflichtwidrig – den Notar trifft für die hieraus entstandenen Schäden die Haftung. Dies umso mehr, als der spiegelbildliche Fall (nämlich Zahlung der Abgaben durch Verkäufer einen Zeitraum nach Schlüsselübergabe betreffend) sehr wohl ausdrücklich besprochen wurde. Darüber hinaus wurde den Käufern vom Vertragserrichter versichert, dass sie neben den im Kaufvertrag angeführten Beträgen keine weiteren Zahlungen leisten müssten. Ein Notar als Vertragserrichter müsse immer auch eine ungünstige Entwicklung berücksichtigen und entsprechend handeln.
Aus dieser Entscheidung kann ersehen werden, dass die abgabenrechtlichen Aufklärungspflichten des Vertragserrichter durchaus weitreichend sind – dies vor allem auch dann, wenn die jeweilige Abgabenproblematik (wenn auch aus anderer Perspektive) erörtert wurde und der Vertragserrichter – was er niemals tun sollte – den Parteien versichert, höhere Zahlungen als die im Vertrag angeführten müßten nicht geleistet werden. Eine solche Zusage setzt den Vertragserrichter, der den gesamten Sachverhalt aus der Vergangenheit und Gegenwart realistischerweise nicht vollständig kennen kann, einen unnötigem Haftungsrisiko aus.
Aus der Perspektive des regelmäßig in Hauftungscausen von Steuerberatern, Notaren, Rechtsanwälten (und auch Ärzten) tätigen Praktikers fällt jedoch auf, dass die (in all diesen Bereichen einen Klassiker darstellende) Frage der Risikoerhöhung gegenüber rechtmäßigem Alternativverhalten überhaupt nicht erörtert wird: Wie die Käuferseite sich verhalten hätte, wäre sie korrekt aufgeklärt worden, und wie dem Risiko der Abgabenhaftung der Käuferseite diesfalls hätte begegnet werden können und begegnet worden wäre wird nicht erörtert. Es ist allerdings aufgrund des Sachverhaltes davon auszugehen, dass gegen dieses Risiko der Käuferseite durchaus recht einfach vertragliche Sicherheitsmaßregeln (z. B. eine Absicherung mittels Bankgarantie) hätten gefunden werden können.
Vertragserrichter sollten diese Entscheidung zum Anlass nehmen, ihre Checklisten und Routinen zu überprüfen und latenten Abgabenbelastungen in den Mandantenbesprechungen ein gewisses Augenmerk zu widmen.
Entscheidung des Monats Dezember 2024:
Steuerberater haftet dem handelsrechtlichen Geschäftsführer und auch dem faktischen Geschäftsführer einer GmbH für unterbliebene Aufklärung über die Insolvenzreife der Gesellschaft – BGH 29.06.2023, IX ZR 56/22.
Die vorliegende Entscheidung „vom großen Bruder“ (also aus der BRD) ist schon mehr als ein Jahr alt, dennoch präsentiere ich sie hier als Entscheidung des Monats.
Warum?
Diese Entscheidung hat in Österreich bis dato (zu Unrecht) kaum Resonanz gefunden. Und das obwohl ihr Inhalt für Steuerberater und ihre Haftpflichtversicherer unter Umständen sehr brisant sein könnte. Die Kernaussagen der Entscheidung lauten (stark zusammengefasst):
- Die Hinweis- und Warnpflicht des Beraters bei möglichem Insolvenzgrund kann Drittschutz für den Geschäftsleiter der juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit entfalten; Voraussetzung ist ein Näheverhältnis zu der nach dem Mandatsvertrag geschuldeten Hauptleistung.
- In den Schutzbereich des Vertrags bei Verletzung der Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund kann auch ein faktischer Geschäftsleiter einbezogen sein.
Weist also der Steuerberater den handelsrechtlichen und/oder den faktischen Geschäftsführer nicht auf ihre Pflicht zur Insolvenzantragstellung hin, so kann den Steuerberater eine Haftung treffen für die Schäden, die der handelsrechtliche GF und der faktische GF dadurch erleiden.
Damit verschärft der BGH die mit seinem Urteil vom 26.1.2017, IX ZR 285/14 statuierte Haftung des mit der Jahresabschlusserstellung mandatierten Steuerberaters für Insolvenzverschleppungsschäden weiter: Nach BGH IX ZR 285/14 haftet der mit der Jahresabschlusserstellung mandatierte Steuerberater einer GmbH gegenüber für die nach Insolvenzreife aufgelaufenen Schulden, wenn er den Geschäftsführer bei Eintritt der Insolvenzreife der GmbH nicht auf die Pflicht zur Insolvenzantragstellung hingewiesen hat.
Hinzugekommen ist jetzt durch unsere aktuelle Entscheidung des Monats Dezember 2024 (BGH 29.06.2023, IX ZR 56/22) die Haftung des Steuerberaters gegenüber dem handelsrechtlichen und sogar gegenüber dem faktischen Geschäftsführer!
Der österreichische OGH hat es in der zuletzt (für November 2024) hier präsentierten Entscheidung 5 Ob 62/24i (noch, siehe Pkt. 4.1. dieser Entscheidung) abgelehnt, Stellung zu beziehen zur Frage, ob die Entscheidung des BGH IX ZR 285/14 auch für Österreich Geltung beanspruchen kann. Allgemein geht man in der Fachgemeinde aber davon aus, dass dem sehr wohl so sein wird.
Wenn nun der OGH die Haftung des Steuerberaters für Insolvenzverschleppung gegenüber einer GmbH aus der E BGH IX ZR 285/14 für Österreich übernehmen sollte, ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass auch die Haftung gegenüber dem handelsrechtlichen und dem faktischen Geschäftsführer aus BGH 29.06.2023, IX ZR 56/22 für Österreich übernommen werden wird – man muss also sehr gespannt bleiben, wie es weitergeht.
Entscheidung des Monats November 2024:
Steuerberater haftet seiner Mandantin, wenn er erkennbare Malversationen des Vorstandes seiner Mandantin nicht aufdeckt – OGH 3.9.2024, 5 Ob 62/24i
Ein Steuerberater, der seit mehreren Jahren mit einem umfassenden Mandat für einen Verein betraut ist und mit der Finanzbuchhaltung, der Erstellung von Jahresabschlüssen und der Lohnverrechnung befasst ist, haftet seiner Mandantin für den Schaden, wenn er leicht erkennbare Malversationen des Leitungsorgans des Vereins nicht beanstandet oder aufdeckt.
Der Steuerberater kann sich von Haftung auch nicht dadurch befreien, dass er sich auf das Verschulden des Vereinsvorstandes beruft – zwar ist das Verhalten der Organe des Vereins (hier: Vorstand) dem Verein zuzurechnen. Wenn aber die Pflicht zur Kontrolle des Leitungsorgans sich (wie hier) aus dem umfassenden Auftragsgegenstand ergibt, kann der Steuerberater sich von der Haftung nicht dadurch befreien, dass er sich auf vorsätzliches Fehlverhalten dieses Leitungsorgans beruft.
Diese Entscheidung ist grundsätzlich auch auf die Geschäftsführung einer GmbH oder den Vorstand einer AG übertragbar.
Zu dieser Entscheidung ist von Dr. Felix Karl Vogl auch eine Entscheidungsbesprechung in SWK, der am weitesten verbreiteten steuerlichen Fachzeitschrift Österreichs, veröffentlicht worden: Hier geht es zur Entscheidungsbesprechung.