Begriffe (Glossar)
Hinweis: Eine individuelle Rechtsberatung kann und will dieses Informationsangebot nicht ersetzen – demgemäß wird jede Haftung für die Richtigkeit des Inhaltes dieser Website ausgeschlossen.
Aufklärung
Bevor ein Steuerberater von seinem Klienten eine Entscheidung über die einzuschlagende Vorgehensweise erwirkt, muss er diesen so weitgehend über die steuerlichen Folgen verschiedener Entscheidungsmöglichkeiten aufklären, dass ihm eine (hinsichtlich der steuerlichen und finanziellen Folgen seiner Entscheidung) informierte Einwilligung ermöglicht wird. Von den Umständen des Einzelfalles abhängig ist es, wie weitgehend die Aufklärung sein muss.
Beratungspflicht
Der Steuerberater muss grundsätzlich davon ausgehen, dass sein Klient beratungsbedürftig ist in Bezug auf die steuerlich relevanten Umstände und Folgen seines (des Klienten) Tuns. Der Steuerberater darf grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass sein Mandant die steuerlich relevanten Umstände schon von selbst erkennen und mitteilen wird und/oder der Mandant von sich aus den steuerlich bestmöglichen Weg vorgeben wird.
Wie weitreichend die Beratungspflicht eines steuerlichen Beraters (Steuerberater/Wirtschaftsprüfer/Rechtsanwalt/Notar) ist hängt insbesondere von der Reichweite seines Auftrages ab: Wurde ein Berufsträger nur mit der Bearbeitung eines isolierten Problems beauftragt (zum Beispiel gegen den Einkommensteuerbescheid eines bestimmten Jahres Rechtsmittel zu erheben), so ist der Berufsträger nicht verpflichtet, den Klienten umfassend zu sämtlichen in Betracht kommenden Themen zu beraten, die über den Gegenstand des Auftrages hinausgehen (z. B. zu Möglichkeiten, die sozialversicherungsrechtliche Situation für dieses Jahr im Nachhinein zu optimieren). Auch klientenseitige Umstände können für die Reichweite der Beratungspflicht erheblich sein – die Beratungspflicht des steuerlichen Beraters reicht gegenüber einem steuerlich unkundigen Ein-Personen-Unternehmer deutlich weiter als gegenüber einem börsenotierten Großunternehmen mit eigener Steuerabteilung, in der 10 Mitarbeiter beschäftigt sind, deren fünf die Steuerberaterprüfung absolviert haben).
Cooperation (selbständiger Berufsträger)
Zugegeben: Das große C haben wir hier nur deshalb gewählt, weil wir auch diesen Buchstaben im Glossar abdecken wollten. Nun aber zur Sache: Kooperieren mehrere selbstständige Berufsträger im Rahmen einer Regiegemeinschaft bzw. Kostengemeinschaft (Bürogemeinschaft) unter einer einheitlichen Corporate Identity, so bleiben grundsätzlich trotzdem die einzelnen Berufsträger für ihr eigenes und nur ihr eigenes Handeln verantwortlich, soweit im Außenauftritt klar zum Ausdruck kommt, dass es sich um keine Partnerschaft von Steuerberatern/Rechtsanwälten/Notaren handelt – dies wird in der Regel abgesichert durch die Bezeichnung „Selbständige Kanzleien von Steuerberatern/Rechtsanwälten/Notaren in Kooperation“. Lediglich dann, wenn ein redlicher und vernünftiger Klient das Auftreten der kooperierenden Berufsträger (Steuerberater/Rechtsanwälte/Notare) so verstehen musste (und es auch so verstanden hat), als bildeten diese ein einheitliches Unternehmen, kann eine Haftung der übrigen Berufsträger in der Kooperation für das Verhalten eines einzelnen Berufsträgers in Betracht kommen.
Deckung durch Haftpflichtversicherer
Der Haftpflichtversicherer ist, wenn die Voraussetzungen laut Gesetz und Versicherungsbedingungen vorliegen, verpflichtet, nicht nur die gegen seinen Versicherten (Steuerberater, Rechtsanwalt, Notar) erhobenen Schadenersatzansprüche zu bezahlen, sondern auch die Kosten der Rechtsvertretung seines Versicherten. Im Bereich der gesetzlichen Mindestversicherungssumme werden die Kosten der Rechtsvertretung regelmäßig auch nicht auf die Versicherungssumme angerechnet. Im Fall von Haftpflichtansprüchen, welche die gesetzliche Mindestversicherungssumme übersteigen, kann dies sehr wohl der Fall sein.
Da der Haftpflichtversicherer die Kosten der Schadenabwehr zu bezahlen hat darf auch der Haftpflichtversicherer die Person des Rechtsanwaltes bestimmen, der den Versicherten im Prozess vertritt. Die meisten österreichischen Haftpflichtversicherer akzeptieren auch die Vertretung durch den Vertrauensanwalt bzw. Wunschanwalt des Steuerberaters (Wirtschaftsprüfers, Rechtsanwaltes, Notars), solange der Wunschanwalt des Versicherten die Honorarbedingungen des Haftpflichtversicherers akzeptiert. Sollten zwischen dem gesetzlichen Tarif und den Honorarbedingungen des Haftpflichtversicherers Differenzen bestehen, kann für den Versicherten ein Selbstbehalt schlagend werden – dies ist zwischen dem Steuerberater (bzw. Wirtschaftsprüfer/Rechtsanwalt/Notar) und meiner Kanzlei im Einzelfall zu vereinbaren. Erfahrungsgemäß können wir in der Mehrzahl der Fälle einen Selbstbehalt für den Berater vermeiden.
Deckung durch Rechtsschutzversicherer
In der Regel handelt es sich bei Schadenersatzansprüchen gegen einen steuerlichen Berater (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, Notar) um vertragliche Schadensersatzansprüche. Voraussetzung für eine Deckung durch einen Rechtsschutzversicherer ist daher in der Regel, dass der Rechtsschutzbaustein „Vertragsrechtschutz“ versichert ist.
Im Einzelfall kann unter Umständen aber auch dann Deckung aus der Rechtsschutz-Polizze bestehen, wenn nur der Baustein Schadenersatz-Rechtsschutz versichert ist.
Besteht Deckung aus der Versicherungspolizze, so übernimmt der Rechtsschutzversicherer das Anwaltshonorar gemäß gesetzlichem Tarif sowie die bei Prozessführung fällig werdenden Barauslagen (Gerichtsgebühren, Sachverständigengebühren, Dolmetschergebühren etc.). Je nach Versicherungspolizze wird zum Teil ein Selbstbehalt für den Versicherten fällig (meist nur bei Betriebsrechtsschutzversicherungen – und dort nicht immer).
Deutsche Rechtsprechung
Im Bereich der Steuerberaterhaftung spielen allgemeine Rechtsbegriffe wie Sorgfalt, Sachverstand, Vorwerfbarkeit etc. eine große Rolle. Es verwundert also nicht, dass österreichische Gerichte ihre Entscheidungen regelmäßig (auch) mit Verweisen auf Gerichtsurteile aus der Bundesrepublik Deutschland begründen. Das liegt alleine schon an der viel größeren Zahl deutscher Gerichtsentscheidungen zum Thema Steuerberaterhaftung, an der längeren Tradition von Steuerberater-Haftungsprozessen in der BRD sowie an der kulturellen Nähe Österreichs zur BRD.
Das den Entscheidungen deutscher Gerichte zu Grunde liegende Gesetzesrecht ist jedoch in zahlreichen Punkten vom österreichischen Recht verschieden – daher dürfen deutsche Gerichtsurteile niemals unhinterfragt auf österreichische Haftungsfälle von steuerlichen Beratern (Steuerberatern/Wirtschaftsprüfern/Rechtsanwälten/Notaren) übertragen werden.
Einwilligung
Die Einwilligung eines Klienten befreit den steuerlichen Berater von der Haftung für negative Folgen seines Tuns. Dies gilt – vereinfacht gesagt – jedoch nur solange der steuerliche Berater sich wie ein sorgfältiger steuerlicher Berater verhält und/oder sofern der Mandant über die mit einer bestimmten Vorgehensweise verbundenen Risiken ausreichend belehrt worden ist bevor er seine Einwilligungserklärung abgegeben hat (Erfordernis der hinreichenden Aufklärung). Wie weitreichend die Aufklärung bzw. Belehrung sein muss ist von den Umständen des Einzelfalles abhängig. Zum Beispiel eigene steuerliche Kenntnisse und Erfahrungen des Klienten, die Dringlichkeit der Angelegenheit sowie die Frage, inwieweit negative Folgen vorhersehbar gewesen sind, spielen in der Praxis eine besondere Rolle.
Fristen
Ein beträchtlicher Teil der Haftungsfälle steuerlicher Berater dreht sich um die Versäumnis von Fristen. Die Abwehr einer Haftung aus einer Fristversäumnis ist für den steuerlichen Berater besonders schwierig (aber nicht unmöglich). Entscheidend sind die vom Berater getroffenen Vorkehrungen dafür, dass Fristen sorgfältig vorgemerkt und gewartet werden, sowie die Qualität (Vollständigkeit und Richtigkeit) der vom Klienten zur Verfügung gestellten Dokumente und Informationen, aus denen der steuerliche Berater die Frist erkennen (oder nicht erkennen) konnte.
Gesetzeskonformität
Ein Steuerberater schuldet seinem Klienten gesetzeskonformes Verhalten. Ein steuerlicher Berater ist nicht verpflichtet, gegen das Gesetz zu verstoßen, um seinen Klienten rechtswidrige steuerliche Vorteile zu verschaffen. Ein steuerlicher Berater ist jedoch grundsätzlich verpflichtet, vom Gesetz abweichende (veröffentlichte) Verwaltungsansichten (zum Beispiel die Einkommensteuerrichtlinien EStR, die Umsatzsteuerrichtlinien UStR, die Liebhabereirichtlinien LRL etc.) zu kennen – und gegebenenfalls für seinen Mandanten nutzbar zu machen, denn gar nicht selten enthalten die veröffentlichten Verwaltungsansichten Begünstigungen des Klienten, die dem Gesetz nicht zu entnehmen sind.
Haftpflichtversicherung
Jeder steuerliche Berater (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, Notar) ist von Gesetzes wegen verpflichtet, eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung zu unterhalten. Bei Beendigung des Versicherungsverhältnisses ist der steuerliche Berater verpflichtet, unverzüglich die Begründung eines neuen Versicherungsverhältnisses nachzuweisen. Andernfalls sehen die Berufsrechtsgesetze (Wirtschaftstreuhandberufsgesetz – WTBG; Rechtsanwaltsordnung – RAO; Notariatsordnung – NO) den Widerruf der Berufszulassung vor. Der Versicherer ist verpflichtet, die Beendigung des Versicherungsverhältnisses der jeweiligen Berufsvertretung (Kammer Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwaltskammer, Notariatskammer) unverzüglich mitzuteilen.
Zur Höhe der verpflichtend aufzubietenden Mindestversicherungssumme siehe „Versicherungssumme“.
Hinzuziehung eines Spezialisten bzw. eines anderen Berufsträgers (WP, RA, Notar)
Stellen sich in der Bearbeitung eines Mandates Anforderungen, die der beauftragte steuerliche Berater nicht erfüllen kann, so ist er verpflichtet, einen Spezialisten hinzuzuziehen bzw. seinem Klienten zur Hinzuziehung eines Spezialisten zu raten. Ob der steuerliche Berater oder sein Mandant die Dienste des Spezialisten bezahlen muss hängt von Formulierung und Inhalt des vom steuerlichen Berater übernommenen Auftrages ab.
Ein häufiges Beispiel für die Notwendigkeit, einen Spezialisten beizuziehen, sind Streitigkeiten mit dem Finanzamt oder Finanzstrafverfahren (Steuerstrafverfahren), wenn der mit der laufenden steuerlichen Beratung und Vertretung beauftragte Steuerberater nicht über das notwendige Wissen bzw. die notwendige Erfahrung verfügt oder er den Konflikt mit dem Finanzamt bzw. Zollamt scheut. Auch Umgründungen oder Zollsachen können solche „Spezialisten-Materien“sein.
Sind in der Bearbeitung eines Mandates Aufgaben zu erfüllen, zu deren Besorgung der steuerliche Berater gar nicht befugt ist (die er also gar nicht erfüllen darf), so ist der steuerliche Berater verpflichtet, einen Berufsträger eines anderen Berufes hinzuzuziehen, der über die nötige Berufsbefugnis verfügt (zB Rechtsanwalt, Notar, Immobilienmakler etc.) bzw. hat der steuerliche Berater seinen Mandanten zumindest aufzufordern, einen solchen Berufsträger hinzuzuziehen.
Häufiges Beispiel hierfür ist die Errichtung oder Prüfung von Verträgen, zu der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nur in engen Grenzen befugt sind, oder die Vermittlung der Kaufgelegenheit an Liegenschaften gegen Provision.
Insolvenznahe Beratung
Besondere Sorgfaltspflichten ergeben sich für einen Steuerberater, der mit der laufenden Erstellung von Buchhaltung und Jahresabschluss für seinen Klienten befasst ist, wenn sein Klient sich in Zahlungsschwierigkeiten bzw. in einem Zustand der Überschuldung befindet. Gemäß der deutschen Rechtsprechung ist ein Steuerberater nämlich verpflichtet, seinen Mandanten auf die drohende Insolvenz hinzuweisen sowie darauf, welche Maßnahmen er gemäß insolvenzrechtlichen Vorgaben ergreifen muss. Bspw muss der Steuerberater seinen Klienten darauf hinweisen, dass er bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes nicht mehr zu Fortführungswerten bilanzieren darf. Für Schäden aus der verschuldet unterlassenen Aufklärung haftet der steuerliche Berater. Im österreichischen Recht ist diese Pflicht noch nicht gleich detailliert ausjudiziert wie im bundesdeutschen Recht (Stand: Mai 2024), es ist jedoch davon auszugehen, dass österreichische Gerichte diese Frage ähnlich lösen werden wie die Gerichte in der BRD.
Inzidentbeurteilung
Ob der Steuerberater seine Pflichten verletzt hat ist vom Prozessgericht grundsätzlich eigenständig zu beurteilen. Das bedeutet, dass das Prozessgericht das Steuerrecht selbst anzuwenden und auszulegen hat.
Mitunter (aber nicht immer) kommt die Unterbrechung des Haftpflichtprozesses durch das Zivilgericht in Betracht, um den Ausgang eines Rechtsmittelverfahrens gegen Steuerbescheide abzuwarten.
Jederzeitige Erreichbarkeit
Ein steuerlicher Berater (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, Notar) ist verpflichtet, auf Anfragen seiner Klienten (oder auch Interessenten) binnen schicklicher Zeit (also binnen angemessener Frist) zu antworten. Welche Zeit im konkreten Einzelfall noch angemessen ist hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Zu Erreichbarkeit nach Kanzleischluss, an Feiertagen und Wochenenden ist ein steuerlicher Berater grundsätzlich nicht verpflichtet – Ausnahmen können sich aus besonderen Vereinbarungen oder aus der Natur des übernommenen Auftrages ergeben (zum Beispiel bei Übernahme des Auftrages, über das Wochenende eine Selbstanzeige auszuarbeiten und bei der zuständigen Behörde einzureichen, weil die Selbstanzeige sonst verspätet sein könnte). Welche Erreichbarkeit und welche Urlaubsvertretung während des Urlaubes eines steuerlichen Beraters erwartet werden kann ist ebenfalls von den Umständen des Einzelfalles abhängig und wohl von mehreren Umständen abhängig (insbesondere Vorhersehbarkeit des Urlaubes für den Mandanten sowie Vorhersehbarkeit und Dringlichkeit der jeweiligen Aufgabe des Beraters).
Korrektur von Steuererklärungen
Stellt sich nach Einreichung von Abgabenerklärungen heraus, dass diese nicht richtig sind, so trifft den Abgabepflichtigen grundsätzlich eine Pflicht, die Erklärung gegenüber der Behörde zu korrigieren bzw. berichtigen. Bei Beauftragung mit sämtlichen laufenden steuerlichen Angelegenheiten ist der Steuerberater verpflichtet, diese Pflicht seines Klienten für den Klienten zu erfüllen. Für Nachteile aus der Nichterfüllung dieser Pflichten haftet der steuerliche Berater, sofern ihm diese zum Vorwurf zu machen ist.
Leichtfertiges Verhalten
Im österreichischen Zivilrecht werden die Verschuldensgrade Vorsatz, grobe Fahrlässigkeit und leichte Fahrlässigkeit unterschieden.
Bedeutung kommt dieser Unterscheidung im Bereich der Haftung steuerlicher Berater (Steuerberater/Wirtschaftsprüfer/Rechtsanwalt/Notar) gleich mehrfach zu: Einerseits deckt die Haftpflichtversicherung des steuerlichen Beraters einerseits Schäden und andererseits Kosten der Schadenabwehr bei vorsätzlichem Verhalten des Beraters nur ganz ausnahmsweise.
Außerdem kann gegenüber Mandanten, die Unternehmer sind, die Haftung für leichte Fahrlässigkeit in Allgemeinen Auftragsbedingungen (AAB) ausgeschlossen werden, während dies für grobe Fahrlässigkeit nur eingeschränkt möglich ist.
Gegenüber Mandanten, die Verbraucher sind, kann eine Einschränkung der Haftung für Vermögensschäden nur für leichte Fahrlässigkeit vereinbart werden. Eine Einschränkung der Haftung für grobe Fahrlässigkeit ist jedenfalls unwirksam.
Mitverschulden
Fehlende Sorgfalt des Klienten in eigenen Angelegenheiten kann dazu führen, dass Schadensersatzansprüche gegen den steuerlichen Berater vom Prozessgericht gekürzt werden. Dies kommt typischerweise vor in Situationen, in welchen sowohl dem steuerlichen Berater als auch dem Klienten ein Vorwurf zu machen ist. In der Praxis immer wieder begegnende Fälle sind fehlende, fehlerhafte, unvollständige oder verspätete Information des Beraters durch den Mandanten oder Fehler des Mandanten in der Aufbereitung seiner Unterlagen, welche dem steuerlichen Berater ebenfalls hätten auffallen müssen und zu einem Schaden geführt haben.
Nemo-Tenetur-Grundsatz
Nach dem lateinischen Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare darf niemand gezwungen werden, sich selbst strafrechtlich zu belasten. Aufgabe und Pflicht des steuerlichen Beraters (Steuerberater/Wirtschaftsprüfer/Rechtsanwalt/Notar) ist es, sich darum zu bemühen, dass Behörden und Gerichte diesen Grundsatz dem Mandanten gegenüber nicht verletzen. Unterlässt ein steuerlicher Berater es schuldhaft, auf die Einhaltung des Grundsatzes hinzuwirken, können gegen ihn Haftungsansprüche in Betracht kommen.
Organisationsverschulden
Einen steuerlichen Berater (Steuerberater/Wirtschaftsprüfer/Rechtsanwalt/Notar) trifft ein Organisationsverschulden für in seiner Kanzlei unterlaufende Fehler, wenn er nicht dafür Sorge trägt, dass ihm jederzeit die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die in seiner Kanzlei zu besorgen Geschäfte und Angelegenheiten zur Verfügung stellt.
Prüfungspflicht
Grundsätzlich darf der steuerliche Berater davon ausgehen, dass die ihm von seinem Klienten zur Verfügung gestellten Unterlagen und Informationen richtig sind. Ergeben sich jedoch aus den Unterlagen selbst oder aus den vom Klienten zur Verfügung gestellten Unterlagen im Zusammenhang mit sonstigem Wissen des steuerlichen Beraters Zweifel an der Richtigkeit, so hat der steuerliche Berater bei seinen Klienten Aufklärung zu verlangen. Aus einer Unterlassung von Nachfrage und Aufklärung resultierende Schäden sind unter Umständen aus der Beraterhaftung ersatzfähig, wobei sich in solchen Fällen stets die Frage eines etwaigen Mitverschuldens des Mandanten erlebt.
Rettungspflicht
Ist einem steuerlichen Berater ein Fehler unterlaufen, der zu einem steuerlichen Nachteil geführt hat, so darf der Klient nicht seine Hände in den Schoß legen und nichts unternehmen aus der Überlegung heraus, dass ohnehin der steuerliche Berater bzw. dessen Haftpflichtversicherung für den Schaden aufkommen muss. Vielmehr muss der Klient (meist unter professioneller Mithilfe durch Steuerberater und/oder Rechtsanwalt) die ihm zumutbaren Schritte zur Minimierung des Schadens unternehmen (sogenannte Rettungspflicht, Rettungsobliegenheit, Schadenminderungspflicht oder Schadensminderungsobliegenheit). Verletzt der Mandant diese Pflicht, so hat er den aus der Verletzung der Rettungsobliegenheit entstandenen Schaden selbst zu tragen.
Die Kosten der Schadensminimierung (sogenannte Rettungskosten) bestehen in der Praxis insbesondere aus dem aufgewendeten Anwaltshonorar für die anwaltliche Vertretung sowie etwaigen Barauslagen (Gerichtsgebühren, Sachverständigenkosten; Dolmetschergebühren etc.) und sind in der Regel ebenfalls ein ersatzfähiger Schaden (solange sie der Höhe nach angemessen sind).
Sicherster Weg
Kommt es zu einem steuerlichen Schaden so ist der Berater von einer Haftung frei grundsätzlich frei, wenn er den sichersten Weg gewählt hat – dies gilt im Grundsatz, in der Praxis gibt es jedoch zahlreiche Abweichungen hievon, die hier nur beispielhaft genannt werden können. Ein häufiges Beispiel ist der Kostenpunkt: Hat der Klient aus Kostengründen das Gehen des sichersten Weges abgelehnt oder wurde der sicherste Weg deshalb nicht gewählt, weil der Klient sich hievon eine schnellere und/oder vorteilhaftere Erledigung der Angelegenheit versprach, besteht grundsätzlich keine Haftung des steuerlichen Beraters. Diese Rechtfertigungen setzen freilich wiederum voraus, dass der Mandant vom steuerlichen Berater im Vorhinein ausreichend aufgeklärt wurde - große Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang auch der Dokumentation von Beratungsgesprächen zu.
Selbstanzeige
Im Abgabenrecht besteht grundsätzlich die Möglichkeit, in der Vergangenheit unterlaufende Verstöße strafbefreiend zu sanieren, indem der Verstoß rechtzeitig vor behördlicher Entdeckung und Verfolgung formgerecht der zuständigen Behörde angezeigt wird und verkürzte Abgaben binnen der gesetzlichen Frist nachentrichtet werden.
In Situationen, die eine solche Selbstanzeige nahelegen, ist ein steuerlicher Berater (Steuerberater, Rechtsanwalt, Notar) verpflichtet, seinen Klienten auf die Möglichkeit einer solchen Selbstanzeige hinzuweisen.
Wird ein steuerlicher Berater mit der Erstellung und Erstattung einer Selbstanzeige beauftragt, so ist er verpflichtet, diese kunstgerecht zu erstellen und seine Mandanten auf die Regularien hinzuweisen, die er einhalten muss, um die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige zu erlangen.
Kurz gesagt: Die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige darf nicht an Fehlern des steuerlichen Beraters scheitern. Tut sie dies doch, ist dies ein Ansatzpunkt für Haftungsansprüche gegen den steuerlichen Berater.
Scheitert die Selbstanzeige an Umständen, die außerhalb der Sphäre des steuerlichen Beraters liegen und von diesem nicht beeinflusst werden können, an Umständen, die der steuerliche Berater nicht kennen konnte, oder an Umständen aus der Sphäre des Mandanten (zum Beispiel fehlende finanzielle Mittel zur Nachzahlung der verkürzten Abgaben) so besteht grundsätzlich auch kein Haftungsanspruch gegen den steuerlichen Berater.
Steuerlicher Berater
Den Begriff des „steuerlichen Beraters“ haben wir für die vorliegende Website deshalb verwendet, weil es zwar vor allem Steuerberater sind, die Unternehmer und Verbraucher in steuerlichen Belangen beraten und vertreten – aber eben nicht ausschließlich:
Auch Wirtschaftsprüfer sind befugt, in steuerrelevanten bzw. steuernahen Angelegenheiten zu beraten (insb. im Bereich der Buchführung, der Bilanzierung und der Rechnungslegung.
Weiters sind auch Rechtsanwälte und Notare (nolens volens) im Bereich der steuerlichen Beratung und Vertretung tätig: Rechtsanwälte und Notare sind gerade im Zusammenhang mit Liegenschaftstransaktionen zu Selbstberechnung oder Erklärung von Grunderwerbsteuer (GrESt) und Grundbucheintragungsgebühr (EG) gegenüber Finanzamt und Grundbuchsgericht verpflichtet. Außerdem dürfen nur Rechtsanwälte und Notare die Selbstberechnung der Immobilienertragsteuer (ImmoESt) vornehmen und gegenüber dem Finanzamt entsprechende Meldungen abgeben. Gerade im Bereich von Immobilientransaktionen kommt es seit Einführung der ImmoESt im Jahr 2012 vermehrt zu Haftungsfällen von Rechtsanwälten und Notaren (sowie auch von Steuerberatern) wegen Fehlern bei der Selbstberechnung und Abfuhr von Grunderwerbsteuer, Grundbucheintragungsgebühr und Immobilienertragsteuer.
Treuepflicht
Ein steuerlicher Berater, sei er Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt oder Notar, ist kraft seines Berufsrechtes grundsätzlich verpflichtet, nur den Interessen seines Mandanten zu dienen. Ist ihm dies nicht (mehr) möglich (zum Beispiel wegen eines Interessenkonfliktes), so darf er den Auftrag seines Mandanten nicht annehmen bzw. ist er verpflichtet, diesen niederzulegen.
Insbesondere ist es einem steuerlichen Berater verboten, aus Sorge um das gute Einvernehmen mit der Abgabenbehörde (Finanzamt, Zollamt) Rechtsbehelfe nicht zu ergreifen und Anträge für seine Klienten nicht zu stellen, obwohl diese Aussicht auf Erfolg versprechen.
Entsteht aus falscher Rücksichtnahme des steuerlichen Beraters auf seine eigenen Interessen oder auf die Interessen Dritter dem Mandanten ein Schaden, so ist dieser grundsätzlich ersatzfähig.
Überprüfungspflicht
Ein steuerlicher Berater ist verpflichtet, die Angaben seines Klienten zumindest auf Plausibilität zu prüfen und offenkundigen Widersprüchen zwischen den Angaben seines Klienten und seinem eigenen Wissen und/oder weiteren Informationen auf den Grund zu gehen. Für Schäden, die aus einer Unterlassung entstehen, haftet der Berater, sofern ihm die Unterlassung vorzuwerfen ist.
Zu einer detaillierten Prüfung sämtlicher vom Mandanten überlassener Unterlagen und Informationen ist der steuerliche Berater hingegen ohne besonderen Grund nicht verpflichtet.
Verschlechterung durch Rechtsmittel
Wie oben ausgeführt (siehe „Treuepflicht“) ist ein steuerlicher Berater verpflichtet, seinen Klienten treu zu beraten und zu vertreten und nur die Interessen des Klienten zu fördern. Hierzu gehört je nach Inhalt des Auftragsverhältnisses auch das Ergreifen von Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln, um die für einen Klienten günstigere rechtliche Beurteilung durch die Behörde oder das Verwaltungsgericht durchzusetzen.
Gleichzeitig ist der steuerliche Berater verpflichtet, seinen Mandanten vor Erhebung des Rechtsmittels bzw. vor der Entscheidung über das Rechtsmittel auf das Risiko einer Verschlechterung des Ergebnisses hinzuweisen und seinen Mandanten aufzuklären. Unterlässt der steuerliche Berater dies und führt dies zu einer Verschlechterung des Ergebnisses im Rechtsmittelverfahren, so kann sich daraus eine Haftung gegenüber den Mandanten ergeben.
Verjährung
Haftungsansprüche gegen Steuerberater (bzw. Rechtsanwälte und Notare) verjähren grundsätzlich nach allgemeinen Regeln, also 3 Jahre nach Kenntnis von Schaden und Schädiger und 30 Jahre nach Schadenseintritt (unabhängig von der Kenntnis des Schadens).
Die Allgemeinen Auftragsbedingungen, welche von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern verwendet werden, enthalten jedoch meist eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf 6 Monate ab Kenntnis von Schaden und Schädiger sowie auf 3 Jahre nach Schadenseintritt (unabhängig von der Kenntnis des Schadens). Gemäß höchstgerichtlicher Judikatur ist eine solche Verkürzung der Verjährung gegenüber Klienten, die Unternehmer sind, grundsätzlich auch nicht sittenwidrig oder gröblich benachteiligend. Wer als Unternehmer Schadensersatzansprüche gegen Steuerberater geltend machen will, muss also vor der Verjährung seiner Ansprüche besonders auf der Hut sein.
Wer Verbraucher ist hat es besser: Für Verbraucher sind die Verkürzungen der Verjährungsfrist unwirksam, es gelten die zu Beginn genannten Fristen von 3/30 Jahren – vor deren Ablauf man allerdings ebenfalls auf der Hut sein sollte. Verbraucher sind im Verhältnis zum steuerlichen Berater z. B. Mandanten, die sich ausschließlich als Arbeitnehmer steuerlich vertreten lassen oder zusätzlich zu ihrem unselbständigen Einkommen „nur“ noch Einkünfte aus (nicht unternehmerischer) Vermietung erzielen, aber auch Gesellschafter einer GmbH ohne entscheidenden Einfluss auf die Führung des Unternehmens – im Einzelfall kann die Abgrenzung schwierig sein)
Auch die Haftung für sämtliche zukünftigen Schäden aus einem Fehler des steuerlichen Beraters verjährt grundsätzlich in der kurzen Verjährungsfrist – auch deshalb ist nach Entdeckung eines Fehlers des steuerlichen Beraters rasches Handeln gefragt.
Generell empfiehlt es sich, mit einem Steuerberater-Haftungsfall so früh wie möglich an einen spezialisierten Rechtsanwalt heranzutreten: Denn 1. bedarf die Geltendmachung der Ansprüche mitunter beträchtlicher Vorbereitungszeit (alleine die Berechnung des steuerlichen Schadens kann einige Zeit in Anspruch nehmen) und 2. kann während noch laufender Verjährungsfrist im Prozess noch auf neue Erkenntnisse reagiert werden. Nach Eintritt der Verjährung können hingegen keine neuen Ansprüche im Prozess mehr aussichtsreich erhoben werden.
Versicherungssumme
Kraft Gesetzes ist jeder steuerliche Berater (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, Notar) verpflichtet, eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung mit einer gewissen Mindest-Versicherungssumme aufrechtzuerhalten.
Für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer beträgt die Mindestversicherungssumme EUR 72.673, wobei diese Summe durch eine Exzedenten-Versicherung der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer auf das Zehnfache angehoben wird. Damit beträgt die Mindestversicherungssumme für Steuerberater in der Praxis EUR 726.730 pro Schadenfall.
Für Rechtsanwälte und Notare gilt eine Mindestversicherungssumme von EUR 400.000 pro Schadenfall.
Für Rechtsanwaltsgesellschaften gilt eine Mindestversicherungssumme von EUR 2.400.000 pro Schadenfall.
In der Praxis unterhalten zahlreiche Steuerberater, Rechtsanwälte und Notare freiwillig höhere Versicherungssummen.
Zahlreiche Steuerberater, Rechtsanwälte und Notare beschränken ihre Haftung in ihren Allgemeinen Auftragsbedingungen (AAB) auf die ihnen zur Verfügung stehende Versicherungssumme.
Weisung
Ein steuerlicher Berater (Steuerberater/Wirtschaftsprüfer/Rechtsanwalt/Notar) hat während des aufrechten Mandatsverhältnisses Weisungen des Mandanten zu befolgen. Dies gilt aber nur unter der Voraussetzung, dass die Weisungen nicht gesetzeswidrig oder sittenwidrig sind.
Erteilt der Klient seinem Berater eine Weisung, wie er vorzugehen hat, und ist diese aus fachlicher Sicht bedenklich (zum Beispiel kann dies der Fall sein, wenn dem Klienten aus der geplanten Vorgehensweise Nachteile drohen), so hat der steuerliche Berater den Mandanten über die Risiken aufzuklären (Warnpflicht).
Unterlässt der steuerliche Berater dies vorwerfbar, so haftet er grundsätzlich für die hieraus entstandenen Schäden.
Umgekehrt hat ein Steuerberater (bzw. Wirtschaftsprüfer/Rechtsanwalt/Notar) bei Fehlen einer Weisung im steuerrechtlichen oder taktischen Bereich freie Hand.
Zahlungstermine
Ein steuerlicher Berater (Steuerberater, Rechtsanwalt oder Notar) ist grundsätzlich verpflichtet, seine Klienten über die Fälligkeitstermine der von ihnen zu entrichtenden Abgaben in Kenntnis zu setzen.
Unterlässt der Berater es schuldhaft, den Klienten über Zahlungstermine in Kenntnis zu setzen, haftet er für den daraus entstehenden Schaden (Säumniszuschläge, unter Umständen auch strafrechtliche Sanktionen).
Etwas Anderes kann gelten für Abgaben, in deren Handhabung der Mandant routiniert ist, insbesondere für Abgaben, welche periodisch immer zu funktionell demselben Datum zu entrichten sind (zB Umsatzsteuervorauszahlungen, Lohnabgaben wie Kommunalsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag etc.).
Üblicherweise genügt die Übermittlung amtlicher Verständigungen, in welchen die Zahlungstermine aufscheinen, für die Erfüllung der Verständigungspflicht.
Zuständigkeit
Ein steuerlicher Berater (Steuerberater, Rechtsanwalt oder Notar) ist verpflichtet, die Zuständigkeiten verschiedener in Betracht kommender Behörden und Gerichte bzw. Verwaltungsgerichte zu kennen und Eingaben bei der zuständigen Behörde bzw. dem zuständigen (Verwaltungs)gericht zu erstatten. Wird eine Frist versäumt, weil ein steuerlicher Berater schriftliche Eingaben bei einer unzuständigen Behörde einreicht, oder kommt es wegen Einschreiten bei der falschen Behörde zu sonstigen Nachteilen, so haftet der steuerliche Berater grundsätzlich für den entstandenen Schaden.
Etwas Anderes kann dann gelten, wenn die Zuständigkeit für eine bestimmte Angelegenheit ungeklärt ist (dies kommt in der Praxis sehr selten vor). Auch dann ist der steuerliche Berater jedoch verpflichtet, den für die Fristwahrung sichersten Weg zu gehen (siehe „Sicherster Weg“).